Nun, ich war allein in der südzamonischen
See unterwegs. Das Wetter war gut, ein frischer Wind blies aus Südost,
etwa 5 Windstärken, die Sonne schien - kurz, es schien ein angenehmer
Tag zum Segeln zu werden, als ich plötzlich spürte, wie meine
Schiff an Fahrt gewann und hart nach Steuerbord gezogen wurde.
Verwundert sah ich mich um, konnte aber
die Ursache für den plötzlichen Sog nicht entdecken. Ich holte
meine Seekarten raus, aber auch dort waren keine besonderen Strömungen
verzeichnet. So wollte ich mich gerade dran machen, meine Position neu
zu bestimmen, unwahrscheinlich, aber vielleicht hatte ich mich ja verfahren,
als die Sonne verschwand.
Der Himmel verdunkelte sich, und es trat
eine solche Finsternis ein, wie ich sie später nur in der Nachtschule
wiederfinden sollte. Schnell zündete ich die Bordlaterne an und sah
mich um. Ich war in eine riesige Höhle geraten, und eine schnelle
Strömung zog mich unaufhaltsam auf einen Abgrund zu.
Kein Grund zur Panik sagte ich mir. Im
Malmstrom habe ich schon schlimmeres erlebte Und so kämpfte ich mich
langsam aber sicher gegen die Strömung zurück in die Richtung
aus der ich zu kommen glaubte. Doch dort stieß ich nur auf eine große
undurchdringbare Wand.
Während ich noch überlegte, was
das alles zu bedeuten hatte, wurde es plötzlich wieder taghell, und
ein neue Flutwelle, angefüllt mit Fischen, Treibgut und ganzen Schiffen,
riß mich wieder auf den Abgrund zu. Jetzt dämmerte es mir, was
geschehen war. Ich warvon einem Tyrannowalfisch Rex verschluckt worden.
Der Alptraum eines jeden Seefahrers.
Okay, ganz ruhig bleiben. Schließlich
bin ich nicht irgendein dahergelaufener Seemann, sondern Zwergpirat. Also,
ich müßte doch eigentlich nur an die Seite des Mauls kommen,
wo die Strömung nicht so stark ist. Und wenn der T-Rex wieder schluckt,
flutsche ich einfach ganz am Rand raus. So müßte es gehen.
Soweit so gut, ich fuhr also wieder bis
zum Maul des T-Rex und wartete auf den nächsten Schluck. Und da kam
er auch schon. Langsam öffnete sich das gewaltige Maul und eine neue
Riesenwelle brandete auf. Ich kämpfte mich bis auf den Wellenrücken
vor, war auch schon fast draußen, als mir ein fataler Fehler unterlief.
Nur für einen kurzen Moment war ich
unaufmerksam, doch das reichte, um von einer angesogenen Holzplanke gerammt
und umgeworfen zu werden.
Sofort versuchte ich mein Boot wieder
aufzurichten, doch es war zu spät. Der Sog erfaßte mich, ich
sah noch ein riesiges Gaumenzäpfchen auf mich zukommen, und dann versank
ich in den Tiefen des Magen-Darm-Trakts.
Ich konnte mir gerade noch eine Leine
schnappen, mit der ich mich am Boot vertäute, dann ging auch schon
die wildeste Achterbahnfahrt meines Lebens los. Ich wurde hin und her gewirbelt,
bekam schließlich irgendeinen vorbei fliegenden Gegenstand an den
Kopf und verlor das Bewußtsein.
Als ich wieder aufwachte war es stockduster
und ein ätzender Geruch stieg mir in die Nase. Ich schüttelte
den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen, und versuchte mich erst mal zu
orientieren. Ich hing an meinem, auf der Seite liegenden, Boot das leicht
hin und her schaukelte, sich sonst aber nicht weiter bewegte.
Die Lage war nicht aussichtslos. Die Strömung
hatte nachgelassen, ich war unverletzt und mein Schiff war nicht durchgekentert.
Also richtete ich dieses erst einmal wieder auf, holte die Ersatzlampe,
begutachtete den Schaden (der Mast war gebrochen) und meine Umgebung.
Das also war der Magen. Überall schwammen
Fische, Wale, Schiffswracks und anders Treibgut. Ich holte das Ruder raus,
und machte mich auf, einen Ausgang zu finden, als ich plötzlich ein
merkwürdiges Zischen vom Rumpf her wahrnahm. Ich sah an der Bordwand
runter, und erblickte zu meinem Schrecken, daß sich mein Boot in
den aggressiven Verdauungssäften aufzulösen begann.
Ich mußte schleunigst einen neuen,
stabileren Untersatz finden. Ich schnappte mir mein Ruder, und paddelte
auf einen vorbei treibenden Lederschuh zu. Schon bekam ich das erste Wasser,
bzw. Magensäure, an Bord. Ich sah mich um, mein Heck war schon halb
versunken.
Wie wild schlug ich mit dem Ruder ins Wasser.
Noch 5 cm,
noch 3
noch einer.
Jetzt. Ich hechtete auf den Schuh und
hörte hinter mir nur noch ein leises Glucksen. Mein Boot war versunken.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Puh, in letzter Sekunde. Ein Rettungssaurier hätte das auch nicht besser gekonnt. Aber ich durfte jetzt nicht ausruhen. Der Schuh war stabiler, würde aber auch nicht ewig halten. Ich mußte hier raus!
Da hörte ich plötzlich Stimmen.
Und was sie sagten kam mir vertraut vor. Da wurde gezankt und geprahlt
und die guten alten Piratenlieder gesungen. Ich rief in die Dunkelheit.
Hei Ho, wer da? Stille trat ein, dann kam eine Antwort. Wir sind die Crew
der "Wellenstürmer". Und wer bist Du?
Schnell paddelte ich hinüber und
fand eine ganze Meute Zwergpiraten, welche mich freudig begrüßten.
Wie sich herausstellte, war die Wellenstürmer schon vor vielen Jahren
in den T-Rex geraten. Seit dem saßen sie hier drinnen fest, wechselten
ständig ihr Gefährt und hoffte auf Rettung.
Zwar hatten sie schon oft versucht aus
eigener Kraft herauszukommen, doch ätzten ihre Flöße immer
zu schnell weg, um aus dem Magen zu entfliehen. Und selbst wenn sie den
Magen überwinden sollten, so war da immer noch die Speiseröhre,
einem metertiefer Wasserfall gleich.
Ich überlegte, die Speiseröhre
war nicht das Problem, hatte ich bei meinen Ausflügen in die Binnengewässer
doch genug Erfahrung mit dem senkrechten Besegeln von Wasserfällen
gesammelt.
Aber die Magensäure machte mir zu
schaffen. Sich von einem schwimmenden Untersatz zum nächsten zu retten
war eine Sache, jedesmal ein neues segel- und manövrierfähiges
Boot zu bauen eine andere. Die Lage war wirklich verzwickt.
Die anderen boten mir Rhumm und Fisch an,
und meinten, es lebe sich hier drinnen eigentlich gar nicht so schlecht.
An den Geruch gewöhne man sich schon und zu essen und trinken komme
auch genug rein. Doch ich war gerade erst angekommen, und wollte noch nicht
so schnell aufgeben. Angestrengt dachte ich nach.
Da wurden wir schon wieder gerammt. Ein
großer schwimmender Kasten war mit unserem Floß zusammengestoßen.
Jemand zündete eine Kerze an und der Kasten wurde geöffnete.
Das war ein Glitzern und Blinken, wie
wir es noch nie gesehen hatten.
Wir hatten eine Schmuckschatulle gefunden,
die wohl aus einem der verschluckten Luxusliner stammte, und in ihr befand
sich ein riesiges Diamantenkollier, in dem sich der Schein unserer Kerze
tausendfach widerspiegelte.
Diamant. Hmm. Diamant ist widerstandsfähig.
Das härteste natürliche Material. Aber es schwimmt nicht. Aber
das muß doch, irgendwie, hmm..... Ich fragte einen Zwergpiraten nach
Papier und Stift und zog mich in eine Ecke zurück.
Drei Tage später kam ich wieder zum
Vorschein. Ich hatte es. Genau so mußte es gehen. Ich versammelte
die anderen um mich herum, und erklärte ihnen meinen Plan.
Als ich fertig war, trat zunächst
skeptische Stille ein. Zulange schon saßen sie hier fest, zu viele
Fehlschläge hatten sie einstecken müssen. Doch dann kam die erste
zögerliche Zustimmung, der nächste fiel ein und schließlich
waren sie alle begeistert. Sofort machten wir uns an die Arbeit.
Wir bauten ein Boot aus Diamant. Das Kollier
wurde zum Rumpf, eine Anstecknadel zum Mast und aus Samt nähten wir
die Segel. Dann suchten wir uns dicke Holzstücke, und banden diese
wie Pontons rund um unser neues Boot fest, sodaß es auch schwimmen
würde.
Nun mußten wir auf unsrer Fahrt
in die Freiheit nur neue Pontons suchen, das eigentliche Boot aber blieb
bestehen, und unsere Fahrt würde so kaum gestört werden.
Da die anderen Zwergpiraten schon lange
nicht mehr gesegelt waren, und im Wasserfallsegeln gar keine Erfahrung
hatten, wurde kurzerhand mir das Kommando übertragen. Ich bekam eine
Kapitänsuniform, diesen wunderschönen Dreispitz und los ging's.
Der Rest ist schnell erzählt. Ich
will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, für Nicht-Seeleute sind
das eher uninteressante Feinheiten. Nur soviel, wir teilten uns in vier
Teams auf. Je zwei, die in 12-h-Schichten nach neuem Holz Ausschau hielten,
und die Schwimmkörper erneuerten und je zwei Teams, die das Schiff
fuhren.
So ließen wir den Magen bald hinter
uns. Die Speiseröhre dagegen war mit ihren 25 m Höhe eine echte
Herausforderung, das muß ich zugeben, aber schließlich schafften
wir auch das. Und den Mund verließen wir so, wie ich es von Anfang
an geplant hatte. Ganz am Rand, wo die Strömung am geringsten war.
Diesmal paßten wir auch auf, und so gelangten wir endlich wieder
in die Freiheit.
Zum Glück war es gerade Nacht, denn
wir brauchten unsere ganze Aufmerksamkeit, um vom T-Rex wegzukommen, damit
er uns nicht noch einmal verschluckte, und wer weiß wie meine Crew
auf das plötzliche Tageslicht reagiert hätte.
Aber so kam wir gut vorwärts und
waren bald wieder in Sicherheit. Tatsächlich verschwand die Mannschaft
dann auch beim ersten Morgengrauen in den Unterdecks, da sie nach der jahrelangen
Dunkelheit das Licht nicht vertrug.
So liefen wir bald den nächsten Hafen
an, kauften für alle Sonnenbrillen und verabschiedeten uns dann voneinander.